Der gelbe Schal

Nicht mehr allzu viel, das gleich vorweg. Aber da das gute alte Stück gerade vermehrt und KI-generiert durchs Internet rauscht, um dort ein paar kostenlose Klicks abzugreifen, hier kurz die Geschichte, die mit dem Kleidungsaccessoire zusammenhängt. Also die echte Geschichte, nicht die kleine Legende, die zur Zeit Fahrt aufnimmt …

Der gelbe Schal
Der gelbe Schal am Lenker als Zeichen einer Notlage …

Aber der Reihe nach:

Was sagt die Legende vom gelben Schal?

Laut KI, der ersten darauf aufbauenden Meldung und den von dort abgeschriebenen Zweit- und Drittartikeln sei der gelbe Schal ein vor Jahrzehnten von einer Motorradzeitschrift ins Leben gerufenes Symbol der Solidarität unter Motorradfahrern. Zum einen als Erkennungszeichen (wenn um den Hals gebunden), zum anderen als Hilferuf bei einer Panne oder einem anderen Notfall (wenn an den Lenker gebunden). Immerhin, Letzteres stimmt, also der Zweck. Was nicht so recht stimmig sein will, ist der Rest.

Was sagt die Geschichte über den gelben Schal?

Zunächst einmal, das von einer umfassenden Solidarität unter Motorradfahrern eher weniger die Rede war. Im Gegenteil. So wie sich Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre in den USA die Gesellschaft der ’normalen‘ Motorradfahrer (die sich als die ’99 %‘ sahen) lautstark von den Krawallbrüdern der restlichen 1 % (daher der Ausdruck One-Percenter für Motorcycle-‚Outlaws‘) distanzierte, basiert auch die Geschichte um den gelben Schal auf der Ausgliederung einer Teilgruppe aus der Gesamtheit aller Motorradfahrer.

Die Teilgruppe, um die es ging, war die noch junge und kleine Gemeinde der Motorradfahrer, die, man höre und staune, freiwillig einen Helm trugen und damit dem Rest unangenehm auffielen. Damals, in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, wiesen die traditionsbewussten ‚echten‘ Motorradfahrer modischen Schnickschnack wie Helme entschieden zurück, weil er die reine Lehre störte. Sie fuhren entweder barhäuptig oder, als Maximal-Zugeständnis an kalte Tage, mit Mütze bzw. Lederhaube. Die ‚anderen‘, wahlweise Nicht-reinen-Biker, bestanden aus den Helmträgern und wurden ausgegrenzt. Als Reaktion darauf beschlossen die Ausgesonderten, sich selbstbewusst neu zu organisieren und neben dem Helm noch einen auffälligen gelben Schal als weiteres Erkennungszeichen zu verwenden, der sie unübersehbar als eine verschworene Gemeinschaft Gleichgesinnter auswies.

Zusätzlichen Auftrieb erhielt die Idee durch eine Kampagne der Redaktion der Zeitschrift Das Motorrad Mitte der 50er Jahre, die der Etablierung Vorschub leistete und noch enger mit dem Sicherheitsgedanken verband, sodass die ehemals kleine Gemeinde im Laufe der Zeit zu einer (relativen) Mehrheit heranwuchs. Im gleichen Maße, wie die Lederhauben und Mützen aus dem Verkehrsgeschehen verschwanden (in Deutschland endgültig, als die Helmpflicht 1976 eingeführt wurde), vermehrte sich der gelbe Schal noch bis in die späten 60er Jahre hinein. In dieser Zeit signalisierte er dann auch tatsächlich, was die Legende zu Recht behauptet: Die Zusammengehörigkeit aller Motorradfahrer sowie für den Fall, dass er um den Lenker gewickelt in Erscheinung trat, eine Notlage. Wobei das eigentliche Einsatzgebiet zusehends vom Hals zum Lenker wanderte.

Ende der 60er und Anfang der 70er war aber Schluss mit der offen demonstrierten (und, weil ‚vernünftig‘, gesellschaftlich geförderten Solidarität. Die Pannen wurden seltener und schließlich gingen die gelben Schals den gleichen Weg wie die Lederhauben vor ihnen und verschwanden von der Bildfläche. Da half dann auch der erneute Versuch der etablierten Motorradmagazine nichts, sie für sich als Marketingwerkzeug zu reaktivieren und erneut zu etablieren. Es blieb beim Versuch und heutzutage erkennt kaum noch ein Motorradfahrer oder eine Fahrerin (die Zeit brachte auch einen Wechsel der Geschlechterverteilung zustande) einen gelben Schal am Lenker als Zeichen einer Panne.

Die meisten Piloten (m/f/?) reagieren sogar dann nicht, wenn statt eines Schals eine gelbe Sicherheitsweste genutzt wird. Was auf der anderen Seite aber auch nicht verwundern mag, beruht die Ignoranz doch nicht auf einer generellen miesepetrigen Grundeinstellung, sondern schlicht auf fehlender Erfahrung. Pannen sind sehr viel seltener geworden in den letzten Jahrzehnten, und wenn’s denn doch mal passiert, muss niemand mehr Gleichgesinnte anlocken oder sich auf die Suche nach einer Notrufsäule (bzw. eines der seltenen Telefonhäuschen) machen. Handy und Automobil-Clubkarte reichen, um nicht lange im Regen stehen zu müssen, und so halten die meisten Vorbeifahrenden einen gelben Schal um einen Lenker eher für eine modebewusste Macke des Fahrers oder der Fahrerin. Wenn er denn überhaupt wahrgenommen wird (der Schal). Aber immerhin: In einigen Lebenslagen kommt er weiterhin zum Einsatz: Bei Charity-Events, Rallys, als Namensgeber des Motorradclubs MRCW e.V. ‚Gelber Schal Spandau‚ und, last, but not least, als Label, unter dem der ‚Bundesverband der Motorradfahrer e.V.‚ zur Zeit seiner Gründung lief: ‚Der Gelbe Schal‚.

Der gelbe Schal (KI)

Verweise/Credits

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