Motorradsaison

Batterie raus aus’m Keller, angeschlossen und ab dafür. Kannste machen. Kennen wir alle, denn nach vier bis sechs Monaten Zwangspause locken die ersten zaghaften Sonnenstrahlen, ohne Widerspruch zu dulden, und vermögen noch die Standhaftesten im Nu zu verführen. Frühling, halt. Also Motorradsaison. Punkt.

Unbenannt

Andersrum: Gehörst du zu jenen, die einer Blitz-Eröffnung zu widerstehen vermögen, bis zumindest die wichtigsten Sicherheitsfragen geklärt sind, möchte dir die nachfolgende Checkliste etwas Unterstützungsarbeit angedeihen lassen.

Motorradsaison-Check 1: Motorrad-Elektrik

Schnell erledigt und fix abgehakt: die Elektrik. Und zwar in dieser Reihenfolge:

  1. Batterie frisch aufgeladen?
  2. OK, dann heißt es, die Vergaser zu fluten (alte Bikes), den Choke zu ziehen (auch die alten) oder (bei moderneren Motorrädern) das Gas zwei, drei Mal bis zum Anschlag aufzudrehen. Letzteres bei eingeschalteter Zündung , aber ohne zu starten! Damit gibst du dem Steuergerät und der Einspritzung Gelegenheit, sich einzujustieren.
  3. Jetzt starte den Motor. Läuft er, wenn auch zunächst vielleicht rumpelig, ist die erste Runde vor dem Start in den Frühling abgehakt.
Motorstart
Batterie fit? Dann Zündung an und zwei, drei Mal Gas geben, um die Motorsteuerung einzujustieren.

Quäle den Motor aber nicht weiter im Leerlauf, sondern stelle ihn ab und checke die wichtigsten elektrischen Komponenten auf Funktion: Scheinwerfer (Stand-, Fahr- und Fernlicht), Blinker links/rechts (auch Warnblinker), Rückleuchte, Bremslicht (also die Schalter der Vorder- und Hinterradbremse), Motor-Abschaltfunktion des Seitenständers, Hupe, Instrumenten-LEDs und eventuell verbautes Zubehör wie Nebelscheinwerfer.

Elektrik prüfen
Elektrik prüfen: Beleuchtung, Instrumente, Schalter und Bordcomputer neu einstellen (falls vorhanden und/oder notwendig).

Motorradsaison-Check 2: Bremsen

Bremsbeläge sollten gewechselt werden, wenn sie dünner als 2 Millimeter sind. Hierbei  kannst du dich unter Umständen an die Belags-Querrillen halten und sie als Verschleißanzeiger nutzen, aber in einigen Fällen sind sie überhaupt nicht dafür gedacht und diesbezüglich nutzlos. Dann bleibt dir nichts, als auf dem Boden herumzukriechen und zu versuchen, mit einer Taschenlampe einen Blick auf die Dicke der Beläge im Bremssattel zu erhaschen und Selbige einzuschätzen.

Bremsbeläge checken
Versuche, beide Beläge einzuschätzen. Ist einer stärker abgenutzt als der andere, klemmt möglicherweise ein Bremskolben.

Hast du eine Vorstellung über den Ist-Zustand der Beläge gewonnen, rechne bei der Gelegenheit aus, wie lange sie noch reichen werden – ganz klar abhängig davon, in welchem Revier du dich in der Regel rumtreibst und vor allem, wie du es abfährst. Übern Daumen lässt sich sagen, dass du bei moderater Fahrweise in kurvigem Gelände rund 3 Millimeter Belag pro 1.000 Kilometer abrubbelst. Willst du also zumindest für diese Zeit auf der sicheren Seite stehen, sind aktuell 5 Millimeter das Mindeste, was du akzeptieren solltest.

Blockiert ein Rad oder lässt sich nur schwer drehen? Kann sein, dass die Scheibe fest an den Belägen sitzt. So was kommt vor. Der Spalt zwischen Scheibe und Belag ist minimal und nach einigen Monaten kann sich Rost gebildet haben und eine Brücke bilden. Meist reicht es dann, Scheibe und Beläge mit feinem Schleifpapier abzuwischen. Anders bei Bremskolben, die eine Scheibe nur ungerne wieder freigeben und für schleifende Bremsen sorgen. Sie haben sich festgesetzt und müssen gereinigt werden. In Kürze: Bremssattel ausbauen, die Kolben minimal auspumpen (wirklich minimal, so dass ein winziger Streifen blanken Metalls sichtbar wird) und mit Zahnbürste und Seifenwasser abschrubbeln. Danach mit Bremsenreiniger abspülen.

Ebenfalls einen schiefen Blick wert: Bremsleitungen und Bremsflüssigkeit. Bremsleitung: Checke bei Gummileitungen auf poröse Stellen und ansonsten auf Undichtigkeiten auf der gesamten Strecke vom Bremsflüssigkeitsbehälter über den Bremszylinder und eventuellen Verteilern bis hin zum Bremssattel. Bremsflüssigkeit: Fühlt sich der Druckpunkt weich an? Ist die Flüssigkeit dunkel? Selbst, wenn nur eines der Fall ist: Austauschen.

Motorradsaison-Check 3: Reifen

Deine Reifen können je nach Voralterung auch nach nur wenigen Monaten Stillstand durchaus rissige Flanken aufweisen, mache deshalb mindestens eine Sichtprüfung über den gesamten Umfang. Checke ferner das Gummi auf Verhärtungen, die Laufflächen auf eingedrungene Fremdkörper und die Profiltiefe der Puschen. Hast du für Letzteres kein Messgerät, verwende eine 1-Euro-Münze, deren Rand verschwunden sein sollte. Meist so gar nicht brauchbar sind hingegen die im Reifen integrierten Verschleißmarker, da sie in der Regel nur die US-Grenze von 0,8 Millimeter, nicht aber die hierzulande geltende von 1,6 Millimeter anzeigen.

Reifenprofil checken
Die Profiltiefe kannst du pro forma auch mit einer Euro-Münze messen – davon abgesehen kosten ‚echte‘ Messspatel nicht einmal so viel, oft sind sie gar umsonst zu haben.

Ebenfalls wichtig: der richtige Luftdruck. Er wird nach Herstellerangaben bei kaltem Reifen gemessen und auf den erforderlichen Wert gebracht. Idealerweise hast du ein geeichtes Prüfgerät, auf das du zurückgreifen kannst, da die Serviceluftgeräte an der Tanke oftmals zu ungenau sind. Übrigens: Ist der Luftdruck zu gering, können wie bei einem abgefahrenen Profil oder beschädigten Laufflächen bislang unbekannte Probleme wie Lenkerschlagen, schwammiges Einlenken und Vibrationen auftreten.

Hast du einen Standplatten zu verzeichnen? Je nach Stärke kann sich dieser zwar nach einiger Zeit wieder legen, ausprobieren ist aber weder risikolos noch zu empfehlen. Neben starken Vibrationen kann auch Lenkerschlagen auftreten und einen vorzeitigen Wechsel erzwingen.

Tipp: Wasche dein Bike vor der ersten Ausfahrt und dabei auch die Reifen (klares Wasser reicht), um eine eventuelle Staubschicht abzuspülen.

Motorradsaison-Check 4: Kette

Schmiere deine Kette vor der ersten Ausfahrt! Auch, wenn es bereits zur Einwinterung geschehen ist. Und achte darauf, dass immer der innere Bereich (also die Seite, die in die Zahnräder greift) geschmiert wird. Sprayst du die Kette von außen ein, ist das zwar bequemer, der Großteil des Fetts verbleibt dann aber völlig nutzlos auf der Oberseite des Kettenstrangs und wird in großen Teilen in die Gegend geschleudert. So gut kann die Haftwirkung gar nicht sein, egal, was der Hersteller des Sprays verspricht.

Kette checken
Jawoll, das ist die Seite, die geschmiert werden sollte. Ist die Kette durch Auspuff oder Koffer an dieser Stelle nicht erreichbar, baue sie ab (die Teile, nicht die Kette).

Ist die Kette geschmiert, überprüfe den Kettendurchhang und korrigiere ihn, falls notwendig. Checke bei der Gelegenheit ferner, ob der Kette bereits Dichtringe fehlen und ob sie nicht verschlissen ist. Letzteres erkennst du, wenn du beim Einstellen des Kettendurchhangs am Ende der Fahnenstange angekommen bist oder die Kette trotz eingestellter Spannung mehr als 3 Millimeter vom Kettenrad hinten abgehoben werden kann.

Motorradsaison-Check 5: Motor

Stimmt der Ölstand? Hierzu lasse den Motor zunächst ein paar Minuten im Leerlauf laufen, stelle ihn ab, warte ein paar weitere Minuten und lese dann den Stand der Dinge ab. Hintergrund: Nach einigen Monaten Stillstand befindet sich jeder Tropfen Motoröl unten in der Ölwanne; es empfiehlt sich aber, die Messung vorzunehmen, wenn ein Teil davon sich wieder im Motor verteilt hat und auch so schnell noch nicht wieder zurückgekehrt ist.

Motorcheck
Bei der Gelegenheit: Checke das Öl auf Schaumbildung (Wasser/Benzin im Öl?) und Farbe (Alterung) …

Warst du im Herbst zu faul für einen Ölwechsel, steht er spätestens jetzt an (soweit überfällig). Öl altert, auch wenn es nicht arbeitet und monatelang nur im Motor rumlungert. Eigentlich sollte man/frau gar nicht erst mit altem Öl in die Winterpause gehen, da verschiedene aggressive Substanzen die Zeit nutzen, um Schaden anzurichten, aber wenn es denn nicht anders ging, hole die Arbeit wenigstens jetzt nach. (Die Kollegen von Custombike halten hierzu wertvolle Tipps für dich bereit. Es lohnt sich, dort mal reinzuschauen.)

Übrigens: Stimmt der Flüssigkeitsstand des Kühlwassers? Weißt du es nicht, checke. Und kontrolliere bei der Gelegenheit alle Komponenten, die irgendwie Leck schlagen können, also Dinge wie Tank, Benzinhahn, Benzinschläuche, Vergaser/Einspritzer, Ölablassschraube, Ölfilter, Ölkühler, Ölschläuche, Wasserkühler und -schläuche sowie, wie oben bereits angesprochen, Bremsschläuche, Bremsbehälter und Bremsventile.

Motorradsaison-Check 6: Federung

Zu guter Letzt tauche nacheinander die Gabel und das Federbein stark ein und überprüfe beide Komponenten auf Anzeichen von Undichtigkeiten wie einen Schmierfilm oder Ölnebel.

Federcheck
Reinige die innen gleitenden Komponenten im Vorfeld, um verbliebenen Schmutz bzw. Putzmittel- und eventuelle Konservierungsreste nicht versehentlich als Öllecks zu interpretieren.

Bei der Gelegenheit bietet sich an, die Grundeinstellung des Federungssystems zu überprüfen (wo und wie steht im Handbuch) sowie die Lager der Maschine auf Spiel zu checken: Rad- und Schwingen- ebenso wie das Lenkkopflager.

Motorradsaison-Check 7: Du selbst

Gewöhne dich entspannt wieder ans Bikefahren und lasse deine Reflexe sich wieder einspielen. Zwar wirst du das Gefühl haben, nach der langen Pause besser fahren zu können als zuvor – was zum Teil auch stimmt, weil Lernen ohne Konsolidierungsphase einfach nicht funktioniert. Aber nichtsdestotrotz bist du aus der Übung und musst, wie dein Motor, auch für diese Motorradsaison erst wieder warm werden.


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