Motorradschrauben, Schraubentypen

Und zack, weg isse, die Motorradschraube. Eben noch auf den Schraubendreher gesteckt, kurz zum Gewinde geschaut und da fiel sie bereits ab. Und weil alles, was auf den Boden fällt, spurlos verschwindet, muss passender Ersatz her. Nur, welcher genau? Aus Stahl, Alu oder gleich Titan?

Stahlschrauben

Stahlschrauben besitzen hohe Festigkeiten und Härten, halten großen Belastungen stand und sind widerstandsfähig gegenüber Biegung, Dehnung und Bruch. An Motorrädern kommen sie als beschichtete oder unbeschichtete Varianten vor, wobei Letztere sehr schnell Austauschwünsche wecken, wenn sie in die Jahre kommen. Dann offenbart sich ihr größter Nachteil: Ohne Beschichtung (meist eine galvanische Verzinkung) korrodieren Stahlschrauben sehr schnell, sind Ursache festgerotteter Verbindungen und obendrein eine Beleidigung fürs Auge, weil unansehnlich.  Meist gehen die Wünsche dann mindestens Richtung Edelstahl, vereinzelt aber auch Richtung Titan und, bei nicht sicherheitsrelevanten Verschraubungen, Richtung Aluminium.

Edelstahlschrauben

Unbeschichtete wie beschichtete Edelstahlschrauben sind per se korrosionsgefeiter als normale Stahlschrauben. Weitere Vorteile sind die kostengünstige Herstellung, die breite Verfügbarkeit sowie eine hohe Haltbarkeit und sehr gute mechanische Eigenschaften – wenn auch die im Normalfall hohe Festigkeit mit steigenden Temperaturen abnimmt. Als  Austauschkandidaten sind sie trotzdem beliebt, da sie im Gegensatz zu den korrosionsbeständigen Alternativen wie Aluminium- und Titanschrauben günstiger zu bekommen sind. 

Aluminiumschrauben

Aluminium-Motorradschrauben verfügen über ein geringeres Gewicht als Stahlschrauben (ca. 70 % weniger), sind aber teurer, weicher, weniger fest und generell nicht so robust wie Letztere. Sie können unter hohen Belastungen leicht biegen oder brechen, weshalb sie an sicherheitsrelevanten Verbindungen nichts zu suchen haben.

Auf der Habenseite stehen weiter die gute Anziehwirksamkeit sowie der durchs Eloxieren erreichte hohe Korrosionsschutz und die ebenfalls aufs Eloxieren basierende große Farbauswahl. (Hinweis: Im Motorsport werden gerne Leichtmetallschrauben aus hochfestem Aluminium verwendet, die beim Gewichtsparen helfen, aber trotzdem über eine hohe Zugfestigkeit verfügen.)

Titanschrauben

Die für Motorradschrauber interessantesten Eigenschaften der meist abstrus teuren Titanschrauben sind deren Korrosionsbeständigkeit, das vertrauensweckende Verhältnis von Festigkeit zu Dichte und der visuell ansprechende Auftritt. Zwar sind sie 60 % schwerer als ihre Kollegen aus Aluminium, dafür aber doppelt so stark wie jene (im Verhältnis zu Stahl sind Titanschrauben 30 % stärker und um die 43 % leichter).

Titangrade

Titanprodukte vom Typ ‘Grad 1’ zeichnen sich durch eine hohe Duktilität aus (= plastische Verformbarkeit, bevor es zum Bruch kommt). Des Weiteren verfügen sie über eine sehr hohe Korrosionsbeständigkeit und Schlagzähigkeit.

Die Weiterentwicklung ‘Grad 2’ ähnelt dem Vorgänger sehr, ist jedoch deutlich stärker, während der nächste Schritt, ‘Grad 3’, zwar wiederum fester als ‘Grad 1’ ist, aber etwas weniger formbar. ‘Grad 3’-Produkte werden dort eingesetzt, wo mäßige Festigkeit und erhebliche Korrosionsbeständigkeit gefordert sind, in erster Linie wegen der besseren mechanische Eigenschaften, die sie ‘Grad 1’ und ‘Grad 2’ voraus haben.

Titanschrauben von ‘Grad 4’ schließlich sind die stärksten aller Typen, inklusive hoher Korrosionsbeständigkeit, Formbarkeit und Schweißbarkeit.

Über ‘Grad 4’ hinausgehende Titanprodukte bestehen nicht mehr aus reinem Titan, sondern sind Legierungen, die entsprechend geringere Korrosionsbeständigkeiten besitzen. ‘Grad 5’ bspw. besitzt zwar eine recht geringe Duktilität, dafür aber eine sehr hohe Festigkeit sowie eine höhere Zugfestigkeit und Streckgrenze. Es findet überall dort Einsatz, wo Festigkeit wichtiger ist als Korrosionsbeständigkeit.

Austauschkosten

Wer nur hier und da eine verrottete Schraube durch ein Titanprodukt austauscht, bemerkt die mit Abstand unbeliebteste Eigenschaft von Titanschrauben kaum: den Preis. Liegt der Grund für die Anschaffung hingegen darin, das Gesamtgewicht eines Bikes drücken zu wollen, sollte man sich bewusst sein, dass der Gewichtsvorteil gegenüber den serienmäßig verbauten (Edel)Stahlschrauben zwar nur im Grammbereich liegt, die Masse aber Kosten um die € 300 bis € 500.- EURO produziert. Was so grade für ein eingespartes Kilogramm reicht, eine Tatsache, die Aufrüstwillige regelmäßig aus den Schuhen rutschen lässt. Nicht überraschend, denn während eine DIN-Edelstahlschraube nur ein paar Cent kostet, verschlingt dieselbe Größe als Titanausgabe mehrere Euro.

Immerhin: Bei sicherheitsrelevanten Verbindungen und Spezialschrauben, die sonst nur zu überteuerten Preisen beim Bike-Hersteller zu bekommen sind, relativiert sich der krasse Preisunterschied und lässt Titanschrauben zu Recht als attraktiv erscheinen.

Kunststoffschrauben

Hier und da finden sich am Motorrad in wenig kritischen Verbindungen auch die aus Polyamid/Nylon hergestellten Kunststoffschrauben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Leicht, günstig, null Korrosion sowie eine hohe Elastizität, die Lastwechsel sehr gut schlucken kann. Die Nachteile auch: Nur für wenig belastbare Verbindungen zu gebrauchen, geringe UV-Toleranz und Temperaturbeständigkeit (wird spröde und brüchig).

Fazit

  • Stahl: Stahl ist haltbar und preisgünstig, aber rostanfällig und gammelt gerne rum. Ein neben der Kosteneinsparung nicht zu unterschätzender Vorteil: Fallen Schrauben in unzugängliche Stellen am Bike, kann man Stahl- und Edelstahlschrauben mit einem Magneten herausholen. Das klappt bei den nicht-magnetischen Konkurrenten Titan und Aluminium naturgemäß nicht.
  • Edelstahl: Wie Stahl, nur ohne Rost. Und bei belastbaren Verbindungen nahezu konkurrenzlos in Sachen Verlässlichkeit und Preis. Für preisbewusste Aufrüstwillige ist Edelstahl die Luxusausführung banaler Stahlbolzen zu annehmbaren Kosten. Stahl- wie Edelstahlschrauben sind eine gute Wahl, wenn hohe Festigkeiten und Härten erforderlich sowie extreme Belastungen und Vibrationen auszuhalten sind.
  • Aluminium: Leichter als Stahl und Edelstahl, eloxierbar und hübsch anzusehen, aber nicht so belastbar wie Stahl. Dafür teurer. Aluminiumschrauben eignen sich eher für Anwendungsfälle, bei denen Leichtigkeit und Korrosionsbeständigkeit eine größere Bedeutung besitzen als Festigkeit und Härte, und weniger für Verbindungen die Belastungen und Vibrationen auszuhalten haben.
  • Titan: Leichter als Stahl, belastbarer als Aluminium und hoch begehrt bei jenen, für die jedes unnötige Gramm Leistung kostet. Der Nachteil: Sauteuer. Also SAU-teuer. 1 Kilo Gewichtseinsparung am Bike durch Umrüstung der meisten Schrauben auf Titan dürfte, wie gesagt, so um die 300 bis 500 Euro kosten. Titanschrauben eignen sich abhängig vom Grad bzw. der verwendeten Legierung als Ersatz für Stahlschrauben mit gleichzeitig höherem Korrosionsschutz.

Hinweise

  • Keine Kompromisse verschrauben: Größen, Längen und Zugfestigkeit/Streckgrenzen von Schrauben sind herstellerseitig festgelegt. Dass eine dicke Schraube in kein kleines Gewinde passt, ist klar, verschraube aber auch keine längeren oder kürzeren Schrauben als vorgefunden und verwende auch keine mit geringeren Festigkeiten (Selbige sind auf dem Kopf aufgeprägt). Generell lässt sich sagen, dass man für Motorräder nur Schrauben mit einer Zugfestigkeit von mindestens 8.8, besser 9.8, 10.9 oder 12.9 verwendet.
  • Beachte: Sei dir bei korrosionsbeständigen Schrauben bewusst, dass sie selbst zwar nicht korrodieren, dies aber nicht für die jeweiligen Werkstücke gilt, in denen sie eingeschraubt werden. Treffen zwei verschiedene Metalle aufeinander, wie eben Stahl und Titan oder auch Aluminium und Stahl, muss bei Feuchtigkeit mit Oxydation und Korrosion gerechnet werden, die das niederwertigere Material angreift.
Schlag weiter nach:
Wörbung
#motorbike #bikerepair
Gebloggt
Workshops
Gabelrelease
Gabel entspannen

Motorradgabeln kommen in unterschiedlichen Bauformen daher. Was sie eint, ist die Tatsache, dass sie sich verspannen können, nicht durchs Rumstehen, aber durch fordernde Fahrweise, Geländegänge, Rempler oder als Ergebnis von Wartungsarbeiten an Rad oder der Gabel selbst.

Hebebühne
Motorradhebebühne, Hebebühne Motorrad

Kein Geld, keine Schweißerkenntnisse und auch keine vernünftige Idee, wie auf brauchbar legalen Wegen an eine brauchbare Motorradhebebühne zu kommen ist? Kein Problem: Hier ist eine Idee, aus einem alten Heber eine funktionstüchtige Holz-Hebebühne zu zaubern …

Zahnriemen
Zahnriemen, Ducati, Zahnriemen Ducati

Alle paar Jubeljahre ist es soweit: Im Zuge der Geldbeutel-ausaugenden Desmo-Service-Hauptinspektion müssen die Zahnriemen der Ducati-Ventilsteuerung erneuert werden. Eine teure bis sehr teure Angelegenheit und Luxus in Zeiten von Krieg und Einsparungen …

Wörbung

Übrigens: Servicehefte lassen sich auch für Mofas, Mopeds, Mokicks und Leichtkrafträder verwenden.

Auch gut zu wissen
Stellplätze
Stellplatz

Schadet es meinem Bike, wenn ich es draußen parke? Was soll ich machen, wenn ich keine Wahl habe? Beim Rosten zusehen? Nein, das Leben sollte in Zukunft zwar besser zu dir sein, aber bis dahin lässt sich das eine oder andere selbst in Angriff nehmen, die Situation zu verbessern

Bike-Diebstahl
Diebstahlprävention

Bei einem Kraftradbestand von rund 5 Millionen mögen 30.000 gestohlene Bikes wenig erscheinen. Für die jeweiligen Besitzer sind es aber herbe Verluste. Finanziell zwar nur, wenn keine Teilkasko den Schaden minimiert, emotional aber meist immer.

Günstig
Sparschwein

Oh ja, Motorradfahren kann teuer sein. Richtig teuer, selbst unterhalb von Extremmodellen für € 30.000 als Basismodel. Auch gewöhnliche Feld-, Wald- und Wiesengänger können den Geldbeutel arg strapazieren – und das nicht nur in der Anschaffung.