Auspuff, Auspuff Motorrad

Gestern noch ohne Beanstandungen die HU bestanden, heute rausgewunken und mit einem Mängelbericht wegen zu lautem Auspuff zurück in die Box geschickt. Wie kann das sein?

Ganz einfach: Den Graukitteln beim TÜV und anderen Prüforganisation ist es meist egal, welche Geräuschkulisse dein Bike hinterlässt. Ausnahme ist, wenn das Soundbrett auf einer durchlöcherten Abgasanlage basiert oder das Motorrad so abstrus laut daherkommt, dass die Zahnkronen wackeln und keinen Zweifel an der Rechtswidrigkeit des Getöses zulassen. Davon abgesehen ist eine Schalldruckmessung aber keine zwingend vorzunehmende Routine bei einer Hauptuntersuchung, weshalb es durchaus passieren kann, dass der Kleber der Plakette noch nicht trocken ist und man bei einer Kontrolle trotzdem eine Stilllegung befürchten muss.

Formal legal reicht nicht

‚Formal legal‘ nennt sich die Zauberformel, mit denen Prüforganisationen hantieren, wenn sie eine HU vornehmen. Das heißt, sie überprüfen beim Check auf Verkehrssicherheit den Zustand der Auspuffanlage auf Undichtigkeiten wie fehlende Dichtungen und Löcher sowie das Abgasverhalten und bei einem Austausch noch E-Nummer oder ABE. In Bezug auf Lärmbelästigung werden sie aber nur bei erkennbaren Manipulationen am Auspuff oder bei deutlich zu lauten Anlagen tätig und vermerken einen Mangel im Prüfbericht bzw. verweigern die Plakette.

Anders bei Verkehrskontrollen, insbesondere jenen speziell für Motorräder. Hier widmet man praktisch jeder Auspuffanlage uneingeschränkte Aufmerksamkeit, inklusive der Frage, ob sie irgendwie zu laut erscheint. Die erste Frage bei einer solchen Quizshow in freier Wildbahn: Ist die Anlage original? Wenn nicht, welche Teile wurden ausgetauscht (meist der Endtopf) und verfügen diese über E-Nummern bzw. ABEs? Hierbei muss man wissen, dass Abgasanlagen zwar mehr oder weniger beliebig gewechselt werden dürfen, ohne dass das Bike einer Prüforganisation vorgeführt werden muss, es sollte aber mindestens eine E-Nummer aufgeprägt sein.

Mit dieser Nummer ausgerüstet, prüfen die Beamten dann online, ob die Anlage bzw. die ausgetauschte Komponente für das jeweilige Motorrad zugelassen ist. Den gleichen Zweck erfüllt eine ABE, Selbige muss allerdings bei allen Ausfahrten mitgeführt werden. Hast du sie vergessen, wird ein Mängelbericht ausgestellt, aber immerhin: In den meisten Fällen wird man dir gestatten, das Motorrad auf dem kürzesten Weg nach Hause oder in die nächste Werkstatt zu fahren. Ersteres, um die ABE zu holen und auf der nächstgelegenen Wache vorzuzeigen, Letzteres, falls größere Arbeiten anfallen, um das Bike wieder in den Betriebszustand zu bringen.

Wenn die Elfen kommen …

So oder so, sind die Grundlagen der generellen Rechtmäßigkeit  geklärt, werden auf Beamtenseite die Ohren gespitzt. Nicht zwingend bei den fahrenden Nähmaschinen, die man ziehen lässt, wenn sonst nichts vorliegt, aber bei allen anderen, die satte Klänge hören lassen. Ist die Anlage offensichtlich defekt, sind also durchlöcherte Roststellen sichtbar, insbesondere im Bereich der Schellen, die zwei Komponenten zusammenhalten? Oder klappert es hörbar im Inneren, wenn man gegen den Endtopf schlägt?

Falls eines davon oder gleich beides: Mängelbericht. Falls nein, steht die nächste Frage im Raum: Ist der dB-Eater entnommen? Falls ja, wie gehabt: Mängelbericht. Kommt ein Fall hingegen undurchsichtig oder strittig daher, greift die Kür der Ohrenspitzaktion: die Schallpegelmessung.

Ausschlaggebend für die erlaubte Stärke der Lärmemissionen ist der in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 vermerkte Lautstärkewert für das Standgeräusch, angegeben in Dezibel (dB) oder dB(A), letzteres ist der bewertete Schalldruckpegel. Zur Messung wird ein geeichtes Instrument verwendet, das auf Höhe der Auspuffmündung in einem Winkel von 45 Grad zur Fahrtrichtung und im Abstand von 50 Zentimeter positioniert wird.

Ist das geschehen, muss bis zur halben Nenndrehzahl Gas gegeben und abrupt weggenommen werden. Diese Messung wird zwei Mal wiederholt und anschließend der Durchschnitt aus allen drei Messungen berechnet. Als Bonus ziehen die Beamten 5 dB(A) vom Ergebnis ab (Fehlertoleranz) und vergleichen den Messwert mit der Vorgabe im Fahrzeugschein.

Liegt die tatsächliche Lautstärke der Abgasanlage über dem erlaubten Wert, hilft weder der Hinweis auf eine kürzlich stattgefundene HU noch der Verweis auf den Vorbesitzer oder darauf, dass der dB-Eater wohl irgendwo auf dem Weg zum Kiosk herausgefallen sein muss bzw. von Unbekannten gestohlen/bearbeitet/gekürzt wurde. Als Halter wirst du für den aktuellen Ist-Zustand des Bikes in die Pflicht genommen und es liegt an dir, den Mangel zu beseitigen.

Die Folge eines höheren Lautstärkepegels ist mindestens der bereits angesprochene Mängelbericht, meist bei verrosteten, alten Anlagen, die dann repariert und erneut vorgeführt werden müssen. Gleiches gilt für den verlorenen dB-Eater. Allerdings: Ist nicht ersichtlich, warum eine Anlage zu laut daherkommt oder handelt es sich um einen Eigenbau oder fehlen sämtliche Unterlagen, muss das Fahrzeug bei einer Prüforganisation begutachtet werden. Alternativ steht ein Rückbau ins Haus.

Ob das Motorrad sichergestellt wird oder der Fahrer es zur nächsten Werkstatt bzw. nach Hause führen darf, hängt vom Verlauf der Kontrolle und der Schwere des Lärmverstoßes ab. Bei zweifellos illegalen Anlagen oder Unfreundlichkeiten während der Prüfung wird es wohl Ersteres werden: Die Polizei entzieht die Betriebserlaubnis sofort, ordnet eine Zwangsstilllegung an und das Motorrad muss mit dem Hänger abgeholt werden. Will man den geänderten Auspuff behalten, muss das Gesamtkunstwerk dann bei einer Prüforganisation begutachtet werden, inklusive Leistungsprüfung. Andernfalls bietet sich auch hier ein Rückbau an.

FAQ

Woher soll ich wissen, ob mein Motorrad zu laut ist?

Kannst du nicht. Das ist zugegeben ungerecht, weil du wirklich völlig ahnungslos in eine Kontrolle geraten könntest und schleichende Lautstärkeerhöhungen durch in die Jahre gekommene Endtöpfe schlecht einzuschätzen sind, aber es ist, wie es ist. Hast du nicht zufälligerweise ein Messgerät in der Garage rumliegen (ab ca. 20.- Euro erhältlich), das dann auch vor jeder Fahrt benutzt wird, wirst du kaum diagnostizieren können, ob der Auspuff, der gestern noch gereicht hat, heute nicht mehr den Vorschriften entspricht.

Immerhin: Was du machen kannst, ist Folgendes:

  • Klopfe regelmäßig den Endtopf mit dem Handballen ab. Klappert es drinnen, rotten die Schalldämpfer gerade weg (bspw. die Wände bei einem Reflexionsschalldämpfer) und das Bike wird absehbar lauter werden.
  • Inspiziere den Endtopf mit einer Taschen- oder Teleskoplampe so gut es geht von innen, um Schäden in der Dämpfung rechtzeitig zu erkennen.
  • Bei Absorptionsschalldämpfern verringert sich das Dämmmaterial mit der Zeit und lässt den Auspuff immer lauter klingen, insbesondere in den tieferen Frequenzen, die schon von Natur aus nicht besonders gut abgedämpft werden.
  • Checke die Auspuffanlage von außen. Defekte Dichtungen lassen sich an dunklen Verfärbungen rund um einer Verbindung (bspw. zwischen Krümmer und Rohrsammler) erkennen, Löcher sowieso, halt weil es Löcher sind.
  • Besondere Aufmerksamkeit verdienen Schellen, wenn sie Auspuffrohre und Endtopf bzw. Kat und Endtopf zusammenhalten. Hier rostet ein Auspuff besonders gerne und lässt dann Verbrennungsgase passieren.
  • Undichtigkeiten lassen sich auch durch den Luftzug enttarnen, den sie verursachen. Aber Vorsicht: Halte deine Hände in gebührendem Abstand zum Auspuffmetall, um Verbrennungen zu vermeiden.

Welche Strafen erwarten mich? (Stand 2024)

  • Auspuff zu laut, weil manipuliert (Schalldämpfung ausgebaut, Auspuffklappen umprogrammiert oder mechanisch verändert, Soundgenerator verbaut) = Belästigung durch unnötigen Lärm- und Abgasausstoß = 90.- Euro, plus eventuell eine Zwangsstilllegung. Die Betriebserlaubnis erlischt in jedem Fall.
  • Fahren ohne Betriebserlaubnis: 50.- Euro
  • Illegale Auspuffanlage (keine Eintragung, keine ABE, keine EG-Erlaubnis) = Fahren ohne ABE = 50.- Euro.
  • Auspuff defekt: 20.- Euro.
  • dB-Eater entfernt/bearbeitet/gekürzt: 35.- Euro.
  • Verstoß gegen den Lärmschutz: 10.- Euro
  • Nicht-Mitführen einer ABE: 10.- Euro.
  • Auspuff generell zu laut = Fahren ohne ABE = 50.- Euro.

Unter Umständen summieren sich die Strafzahlungen, bspw. Belästigung (90.-) plus Fahren ohne ABE (50.-). Ein Punkt in Flensburg fällt in der Regel nicht mehr an, aber natürlich die Kosten für den Rückbau (wenn nicht selbst gemacht), die Fahrten zur Überprüfung der Wiederherstellung der Betriebssicherheit sowie eventuelle Prüf- bzw. Gutachtergebühren.

Sind laute Abgasablagen immer auch Vorsatz?

Wie gesagt, linear verlaufende Lautstärkeveränderungen fliegen oft unter dem Radar und benötigen eine Weile, ehe sie zur Kenntnis genommen werden. Verzichte aber darauf, bei einer Verkehrskontrolle durchblicken zu lassen, dass du auch schon den Verdacht hattest, etwas stimme nicht mit deinem Auspuff. Verläuft die Kommunikation unglücklich oder ist man sich einfach nicht sympathisch, riskierst du, dass man dir Vorsatz unterstellt – was die Strafzahlungen verdoppelt. In dem Fall greife dann doch auf Standardausreden wie ‚dB-Eater verloren‘ und ‚Das ist doch nicht laut’ zurück. Aus der generellen Nummer kommst du damit natürlich nicht raus, aber wenigstens bleibt dir die doppelte Strafsumme erspart.

Verweise

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