Mag man glauben oder nicht, aber selbst ein paar Jahre nach Änderung der Praxis bei der Reifenumrüstung am Motorrad sind viele Biker weiterhin verwirrt ob der gesetzlichen Vorgaben, die ihnen mit dem Verkehrsblatt 15-2019 vom Sommer 2019 auferlegt wurden. Grund genug, zu versuchen, ein wenig Licht der Erkenntnis ins Dunkle zu bringen …
Gültigkeitszeitraum & Inhalt der Regelung zur Reifenumrüstung
Die ‚neuen‘ Regelungen zur Reifenumrüstung bei Motorrädern traten am 15.08.2019 in Kraft und gelten seitdem für alle Neureifen ab dem 1.1.2020. Für vorher produzierte, aber bis 2020 noch nicht abverkaufte Reifen enthielt das Gesetz eine Schonfrist von 5 Jahren, die am 31.12.2024 ablief. Seit dem 1.1.2025 gelten die geänderten Regeln von 2019 für ausnahmslos alle Reifenumrüstungen.
Diese ‘Neu’-Regelungen besagten (und tun es seit 2025 ohne Ausnahmen), dass die den meisten Bikern wohlbekannten Reifenempfehlungen bzw. Unbedenklichkeitsbescheinigungen von Reifenherstellern „alleine nicht mehr ausreichend sind, einen gefährdungsfreien Anbau bei abweichender Dimension oder Bauart“ zu bestätigen. Sie haben deshalb seit Anfang 2020 bei einem Reifenwechsel mit Neureifen, der eine Größen- oder Bauartänderung beinhaltet, keine ausreichende Erlaubniskraft mehr. Stattdessen stellen sie nur noch einen Referenzrahmen her für die Begutachtung der jeweiligen Motorrad/Reifen-Kombination durch qualifizierte Prüfstellen. Ohne erfolgreich bestandene (und kostenpflichtige) Abnahme durch einen Prüfer gilt die Betriebserlaubnis damit folgerichtig als erloschen. Ausnahmen wurden nur gemacht bei Reifen, die vor 2020 hergestellt wurden und denen man eine Schonfrist von 5 Jahren gönnte.
Damit ist nun (2025) Schluss und wo es früher reichte, bei einer Größenänderung die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Reifenherstellers mitzuführen, muss heute bei Größen- und Bauartveränderungen eine offizielle Abnahme eines Reifens vorgelegt werden. Diese bestätigt dann, dass der neue Reifen mit dem jeweiligen Motorradmodell harmoniert.
Wann ist überhaupt eine Abnahme bei einer Reifenumrüstung notwendig?
Das Thema Reifenumrüstung wird bei älteren und neueren Motorrädern unterschiedlich angegangen. Als ältere Bikes gelten dabei Fahrzeuge ohne EU-Typgenehmigung, aber mit ABE oder bestandener Reifen-Einzelabnahme in der Vergangenheit. Als neuere Motorräder werden jene mit EU-Typgenehmigung angesehen – was in etwa das Gros der Motorräder seit Baujahr 2000 ist.
EU-typgenehmigte Motorräder
Generelle Bestimmung: Jede Bereifung muss typgenehmigt laut UN/ECE Regelung 75 sein. (Die ECE- oder E-Nummer befindet sich auf der Reifenflanke und belegt, dass ein Reifen für den Straßenverkehr zugelassen ist. Fehlt die Nummer oder steht stattdessen die Zeichenfolge ‘NHS’ auf dem Reifen (Not for Highway Service), gibt es für den jeweiligen Reifen keine Straßenzulassung, Rennslicks beispielsweise).
Herstellerwechsel bei gleicher Reifengröße (eingetragene feste Werte): Eine Neubereifung von einem anderen Reifenhersteller, die exakt den in den Fahrzeugpapieren eingetragenen Größen für vorne und hinten entspricht, ist ohne Abnahme durch eine Prüforganisation zulässig und die Betriebserlaubnis erlischt nicht (Verkehrsblatt 15-2019, Nr. 90). Auch nicht, wenn es sich um ein anderes Profil handelt.
Vom Hersteller erhält der Motorradfahrer eine sogenannte Service-Information über die Bike/Reifenkombination, die auf Verlangen vorgelegt werden kann. Eine eventuell in der Zulassungsbescheinigung ebenfalls eingetragene Reifenfabrikats-Bindung besitzt keine Gültigkeit mehr.
Hinweis: Die technischen Parameter wie Geschwindigkeitsindex und Traglast des neuen Reifens müssen mindestens denen der Originalbereifung entsprechen.
Größenänderung bei eingetragenen variablen Werten: Vorausgesetzt, ein Motorradmodell darf laut Fahrzeughomologation verschiedene Reifengrößen fahren, ist eine Neubereifung ohne zwingend vorzunehmende Abnahme erlaubt, wenn sich die neuen Größen innerhalb der in der Zulassungsbescheinigung liegenden Dimensionen für Vorder- und Hinterrad befinden. Wie beim Reifen mit festen Werten (siehe oben) belegt eine Service-Information des Herstellers die Bike/Reifenkombinationen. Die technischen Parameter wie Geschwindigkeitsindex und Traglast des neuen Reifens müssen auch hier mindestens denen der Originalbereifung entsprechen.
Größenänderung oder Bauartänderung: Werden Reifen mit anderen Dimensionen oder anderer Bauart aufgezogen, als in den Fahrzeugpapieren vermerkt, liegt zunächst eine unerlaubte Änderung des Fahrzeugs vor und die Betriebserlaubnis erlischt.
Insofern keine weiteren Änderungen vorgenommen wurden und das Fahrzeug generell verkehrssicher ist, ist eine unverzüglich anzusetzende Begutachtung gemäß §21 auf Grund §19 (2) StVZO erforderlich, die sich auf die Reifenänderung bezieht und bei bestandener Prüfung in die Papiere eingetragen wird. Die früher üblichen Unbedenklichkeitsbescheinigungen erleben bei dieser Begutachtung ihre Wiederauferstehung in Form von Herstellerbescheinigungen für getestete Reifen-/Fahrzeugkombinationen und können vom Halter als unterstützende Prüfgrundlagen dem TÜV (oder einer anderen Prüforganisation) vorgelegt werden. Eine automatische Anerkennung der Dokumente erfolgt jedoch nicht; die Prüfer können Abnahme und Eintragung trotzdem verweigern.
Wie in den anderen Fällen ist darauf zu achten, dass Geschwindigkeitsindex und Traglast der neuen Reifen mindestens der Originalbereifung entsprechen.
Motorräder ohne EU-Typgenehmigung
Bei älteren Motorrädern (Baujahre bis ca. Ende 1999) ist die Verwendung anderer Reifen, als in der Zulassungsbescheinigung aufgeführt, nicht weiter zulässig. Sollte ein ursprünglich in die Papiere eingetragener Reifen nicht mehr erhältlich sein und wechselt man auf einen gleichwertigen Ersatz, erlischt die Betriebserlaubnis – auch wenn es sich bei dem Ersatz um einen Reifen mit gleichen Dimensionen handelt. Wie bei Größen-, bzw. Bauartveränderungen von EU-typgenehmigten Motorrädern muss eine Begutachtung gemäß §21 auf Grund §19 (2) StVZO erfolgen, die sich auf die Reifenänderung bezieht und bei bestandener Prüfung in die Papiere eingetragen wird.
Die vom Reifenhersteller beigelegten Bescheinigungen (die sogenannten Service-Informationen) für erfolgreich getestete Reifen-/Fahrzeugkombinationen können der Prüforganisation als unterstützende Prüfgrundlagen vorgelegt werden, eine automatische Anerkennung ist damit aber nicht gegeben.
Bei einem Reifenwechsel, der nur der Reifenfabrikatsbindung widerspricht (nicht aber Größe und Bauart), sind kaum Probleme zu erwarten. Entsprechen die Dimensionen sowie der Geschwindigkeitsindex und die Traglast dem Original und wird der neue Reifen vom gleichen Hersteller angeboten (Produkt-Nachfolger), soll er sogar ohne Begutachtung verwendet werden können. Es empfiehlt sich trotzdem, wie auch bei der Verwendung vergleichbarer Reifen eines anderen Herstellers, bei einer Prüforganisation nachzufragen.
Sollen darüber Größe und Bauart bei einem Reifenwechsel geändert werden, so dass praktisch nichts mehr den ursprünglich eingetragenen Werten entspricht, sollte der erste Weg zu einer Prüforganisation führen, um anzufragen, welche Möglichkeiten realistischerweise umgesetzt werden können. Da auf jeden Fall eine Begutachtung erfolgen wird, erhöht man seine Chancen, wenn man sich an deren Empfehlungen ausrichtet.
Hinweis: So, wie das Gesetz derzeit ausgearbeitet ist, fällt für Besitzer von Motorrädern älterer Bauart mit einer Reifenfabrikatsbindung mit jedem Reifenwechsel die gleiche Prozedur an: Reifen wechseln -> damit zur Prüforganisation -> Begutachtung der Reifen (Gebühren für HU plus Reifenprüfung) -> zur Zulassungsstelle (Gebühren für Eintragungen). Das heißt, nicht für jeden Reifenwechsel, aber jedes Mal, wenn das jeweilige Modell nicht mehr produziert wird. Aus dieser Nummer gibt es kein Entkommen, es sei denn, man kann eine Austragung der Fabrikatsbindung durchsetzen. Dann fällt einmalig die Begutachtung der neuen Reifen an, es wird aber die alte Fabrikatsbindung aus Brief und Schein ausgetragen und nur die Dimensionen der neuen Reifen eingetragen. Danach ist man frei, jeden beliebigen Puschen jedes beliebigen Herstellers aufzuziehen (bei gleichen Dimensionen und Attributen wie Traglast etc.).
Was bedeutet das für mein Motorrad?
Um deine Bereifung zu überprüfen, solltest du folgende Eckdaten kennen:
- EU-Typgenehmigung: Im Fahrzeugschein findet sich im Feld ‘K’ eine Kennung; sie sollte ‘E’ lauten. Tut sie es nicht oder ist das Feld leer, handelt es sich um keine Zulassung nach EU-Recht und es gelten die zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden nationalen Bestimmungen.
- Reifenalter: Den Zeitpunkt, an dem dein Reifen produziert wurde, findest du wie viele andere Parameter auf der Seitenflanke der Pelle. Er liegt als sogenannte DOT-Nummer vor, bspw. 1817. Das heißt jetzt nicht 1817 (als das erste Laufrad erfunden wurde), sondern 18. Kalenderwoche im Jahr 2017. Der Reifen ist also aktuell (2024) sieben Jahre alt.
- Reifen-Spezifikationen: Zu den laut Gesetz mit dem jeweiligen Bike fest vertackerten Reifenwerten gehören alle im Fahrzeugschein aufgelisteten Parameter wie Größe, Breite, Höhe, Bauart, Geschwindigkeit, Traglast und Abrollumfang.
Mit diesen Erkenntnissen bewaffnet, versuche, den Status zu bestimmen, den dein Bike seit dem 01.01.2025 hat:
EU-typgenehmigt, der Reifen besitzt alle technischen Voraussetzungen aus dem Fahrzeugschein und ist vor oder nach 01.01.2020 produziert worden: Stimmen die technischen Parameter eines Reifens mit den im Fahrzeugschein eingetragenen Werten überein, ist hinsichtlich der Betriebserlaubnis alles im grünen Bereich. Ferner dürfen Reifen anderer Anbieter montiert sein, selbst als Mischbestückung; auch eine Änderung des Profils im Vergleich zum Originalreifen macht keine Eintragung erforderlich. Ist im Fahrzeugschein eine Reifenfabrikatsbindung hinterlegt, verliert sie ihre Gültigkeit.
EU-typgenehmigt, Reifenvarianten besitzen alle technischen Voraussetzungen aus dem Fahrzeugschein und sind vor oder nach 2020 produziert worden: Sind bei einem Bike laut Fahrzeugschein mehrere Reifengrößen erlaubt, sind bei einer Neubereifung keine Eintragungen notwendig, so lange die Neureifen die jeweils unterschiedlichen, aber eingetragenen Spezifikationen einhalten. Eventuelle Reifenfabrikatsbindungen verlieren ihre Gültigkeit
EU-typgenehmigt, Reifen ist vor 2020 produziert worden, aber mit anderen Parametern ausgestattet (bspw. breiter), als im Fahrzeugschein angegeben: Die von Reifenherstellern ausgegebenen Reifenfreigaben für Reifen, die vor 2020 produziert wurden, sind ab dem 1. Januar 2025 nicht mehr gültig, bzw. reichen nicht mehr aus, die Verkehrssicherheit eines Motorrads zu bescheinigen.
Sind die Reifen nach dem 31.12.2024 noch montiert, müssen die Halter folglich mit dem Motorrad bei einer Prüforganisation vorstellig werden und die von den Fahrzeugdaten abweichenden Reifen abnehmen sowie in die Papiere eintragen lassen, egal, ob sie bislang mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung unbehelligt durchs Land fahren konnten. Letztere verlieren ab dem 01.01.2025 ihre Gültigkeit als ausreichender Nachweis und die Betriebserlaubnis erlischt (nicht zwingend, kommt auf die Reifenbauart an, aber in den meisten Fällen und mindestens ist eine Ordnungswidrigkeit drin). Es empfiehlt sich, bei der Vorstellung des Bikes zur Reifenabnahme die alten Unbedenklichkeitsbescheinigungen mitzubringen, da sie den Prüfern als Grundlage dienen können.
EU-typgenehmigt, Reifen ist nach 2020 produziert worden, aber mit anderen Parametern ausgestattet(bspw. breiter), als im Fahrzeugschein angegeben: Für Reifen, die nach 2020 produziert und montiert wurden, gelten die Regelungen zur obligatorischen Abnahme bei einer Prüforganisation bereits seit Ende 2019.
Nicht EU-typgenehmigt, Reifen ist vor 2020 produziert worden, hält die im Fahrzeugschein eingetragenen Spezifikationen ein, entspricht aber nicht der vorgegebenen Reifenfabrikatsbindung: Gesetz dem Fall, dass ein Motorrad mit anderen Reifenfabrikaten betrieben wird, als im Fahrzeugschein vorgeschrieben (weil die alten Reifen nicht mehr produziert werden), muss die Neubereifung ab dem 01.01.2025 von einer Prüforganisation abgenommen und in die Papiere eingetragen werden – selbst, wenn sie alle Spezifikationen wie Größe etc. einhält und bislang eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausreichte. (Auch hier empfiehlt sich, die alten Unbedenklichkeitsbescheinigungen zur Prüfung mitzubringen).
Ausnahme: Der Reifen wird vom gleichen Hersteller als Produkt-Nachfolger angeboten, hier sollte es reichen, sich einmal kurz bei einer Prüforganisation schlau zu machen. Schlau machen gilt auch bei Quasi-Produktnachfolgern von anderen Herstellern – und bei Änderungen der wichtigen Größen (Dimensionen etc.) erst recht.
Nicht EU-typgenehmigt, Reifen ist vor 2020 produziert worden, hält die im Fahrzeugschein eingetragenen Spezifikationen aber nicht ein: Die Neubereifung muss ab dem 01.01.2025 von einer Prüforganisation abgenommen und in die Papiere eingetragen werden – auch wenn bislang eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausreichte, um legal die Straßen befahren zu dürfen. Es empfiehlt sich, die alten Unbedenklichkeitsbescheinigungen zur Prüfung mitzubringen.
Nicht EU-typgenehmigt, Reifen ist nach 2020 produziert worden, hält die im Fahrzeugschein eingetragenen Spezifikationen ein, entspricht aber nicht der vorgegebenen Reifenfabrikatsbindung: Reifen, die nach 2020 produziert und montiert wurden, müssen bereits seit dem 01.01.2020 einer Prüforganisation vorgeführt werden. Statt der alten Unbedenklichkeitsbescheinigungen liegen den Produkten Merkblätter bei, die sie als für das jeweilige Bike getestet ausweisen. Diese Dokumenten können als Prüfgrundlage mit eingereicht werden, reichen als alleinige Nachweise aber nicht aus, die Verkehrssicherheit der mit den jeweiligen Reifen betriebenen Fahrzeuge zu bescheinigen.
Nicht EU-typgenehmigt, Reifen ist nach 2020 produziert worden, hält die im Fahrzeugschein eingetragenen Spezifikationen aber nicht ein: Reifen, die nach 2020 produziert wurden und andere Dimensionen aufweisen, müssen bereits seit dem 01.01.2020 einer Prüforganisation vorgeführt werden. Statt der alten Unbedenklichkeitsbescheinigungen liegen den Produkten Merkblätter bei, die sie als für das jeweilige Bike getestet ausweisen. Diese Dokumenten können als Prüfgrundlage mit eingereicht werden, reichen als alleinige Nachweise aber nicht aus, die Verkehrssicherheit der mit den jeweiligen Reifen betriebenen Fahrzeuge zu bescheinigen.
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