Custombikes

Traditionell handelt es sich bei Custombikes um Serienmotorräder, deren ursprüngliche Ausstattung reduziert, ergänzt oder geändert wird, um individuell stärker gewünschte Attribute wie Offroadeignung, Geschwindigkeit, etc. mehr in den Vordergrund zu stellen, als vom originalen Hersteller vorgesehen. Zu diesen Arbeiten gehören beispielsweise einfache Prozeduren wie das Entfernen von Verkleidungsteilen und Zubehör (Koffer, Spiegel, Blinker, Kennzeichenhalter usw.), in weiteren Ausbaustufen aber auch der Austausch oder die Modifikation von Komponenten, etwa von Lenkern und Sitzen, sowie radikale Maßnahmen wie direkte Eingriffe an Rahmen und Funktionen. Ein weiterer Aspekt ist das durch die Umbauten veränderte Äußere, das die Anhänger der Szene als visuelle Aufwertung empfinden.

Die ältesten Vertreter der Custombike-Bewegung sind die Bobber (vom englischen  to bobstutzen), von denen die ersten Exemplare in den 1940er- und 1950er-Jahren die Straßen der USA bereicherten. Danach folgten die  Café Racer, die im England der 1950er- und 1960er-Jahre gebaut wurden und die Chopper (vom englischen  to chop offabhacken ), mit deren Bau die Szene Ende der 1960-er in den USA begann. Ebenfalls ein Kind der 60er Jahre sind die heutzutage kaum noch als Custombikes wahrgenommenen  Scrambler. Zeitlich neuere Custombike-Varianten sind  Entwicklungen wie StreetfighterRatbike  und Tracker sowie Mischungen aus den verschiedenen grundlegenden Stilen in jeweils unterschiedlichen Gewichtungen.

Bobber
Bobber (Designstudie)

Bobber waren in ihren Anfängen umgebaute Serienmaschinen, die typischerweise von überschüssigen Karosserieteilen befreit wurden, um durch das verringerte Gewicht die Leistung und die Endgeschwindigkeit zu erhöhen. So entfernte man den vorderen Kotflügel, kürzte den hinteren und verbaute einen Einzelsattel als Sitzgelegenheit, meist eine Art ungefederter und überdimensionierter Fahrradsattel. Historische Bobber verfügten als Hardtails auch über keine Hinterradfederung.

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Beim sogenannten ‚Bob-Job‘ geht es ausschließlich darum, ein Bike aufs Minimum zu reduzieren – womit sich nahezu alle Arbeiten darauf konzentrieren, Teile entweder komplett abzubauen oder durch gewichtssparende Modifikationen zu ersetzen. Ziel war ursprünglich, durch Gewichtsreduktion mehr Geschwindigkeit zu erreichen. Heutzutage transportieren Bobber eher eine chillige Fahrweise.

Ergonomie

Moderne Bobber, die das Design der originalen Motorräder aufnehmen, aber technisch up to date sind, eignen sich gut für Fahranfänger. Das Gewicht ist meist moderat und der tief gelegene Sitz sorgt für einen guten Stand. Einzig die eher unbequemen Sitzgelegenheiten sind eher kontraproduktiv, wenn es um längere Touren geht.

Café Racer
Café Racer (Designstudie)

In seinen Ursprüngen Ende der 50er Jahre waren Café Racer umgebaute englische Serienmotorräder eines bestimmten Herstellers. Die Umbauten richteten sich am Rennsport aus und zielten auf Gewichtsreduktion durch den Abbau aller nicht notwendigen Teile, um mehr Geschwindigkeit zu erreichen. Ergänzend erfolgten der Anbau eines niedrigen, schmalen Lenkers, um die Areodynamik zu verbessern, sowie der Austausch der Sitzbank durch einen Einzelsitz mit oder ohne Höcker.

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Die Café Racer-Szene der 60er hat auch eine rebellische Komponente. Sie wurde in erster Linie getragen von Arbeiterkids, denen die damaligen Serienmotorräder zu spießig, zu leise und vor allem zu langsam waren und die sich die Maschinen, die auf Rennen wie der Isle of Man zum Einsatz kamen, zum Vorbild nahmen. Meist bildeten englische Modelle von BSA, Norton und Triumpf die Grundlagen ihrer Bikes, später kamen günstige japanische Serienmotorräder hinzu. Endziel: schnell, laut und gutaussehend.

Zu diesem Zweck opferten die Customizer die Sitzbank für zwei Personen und bauten sie zum Einzelsitz um, indem sie die Sitzfläche verdünnten und das Endstück mit einem Höcker versahen. Die Serienlenker, die eine aufrechte Sitzhaltung ermöglichten, wurden ausgestauscht durch Stummellenker, die eine vom Rennsport bekannte gedrungene Körperhaltung erzwangen. Daneben baute man alles ab, was nicht als unbedingt notwendig erachtet oder gesetzlich vorgeschrieben war, darunter auch Rückspiegel und Spritzschutz. Auf technischer Seite wurden die Motoren frisiert, um mehr Leistung herauszuholen, das Fahrwerk (je nach Schrauberkönnen) tiefer gelegt und die Schalldämpfer modifiziert, komplett entfernt oder neu gebaut. Beim Licht setzte man auf die Originalausstattung – außer beim Scheinwerfer, der durch einen größeren ausgetauscht wurde und zusammen mit einer Cockpitschale die Front dominierte.

Random fact: Ein damals überaus beliebter Treffpunkt der Szene, das Ace Cafe in London, wurde 2001 wiedereröffnet. Allerdings geht es dort heutzutage gesitteter zu und die klassischen Rennen zum nächsten Kreisverkehr und zurück dürften mittlerweile unter den Begriff ‚illegale Rennen‘ fallen. Immerhin: Jährlich findet am ‚Ace Day‘ ein Gedenktag statt, dass den Binnen-Rennfahrern von einst gewidmet ist.

Wer heutzutage einen Café Racer fährt, sitzt in vielen Fällen auf einem herkömmlichen Naked Bike, das von einem Motorradhersteller aus Designgründen auf Retro getrimmt wurde. Oder, alternativ, auf einem älteren Serien-Motorrad, das für viel Geld von einer Custombike-Schmiede umgebaut wurde. Selbst gebaut werden dieser Tage nur noch wenige Old-Style Café Racer, am nächsten kommt dem Geist der frühen Jahre noch die moderne Version eines Café Racers, der Streetfighter, der kaum bei kommerziellen Anbietern im Angebot zu finden ist und meist auf Eigenbauten der Besitzer beruht.

Ergonomie

Café Racer in ihrer ursprünglichen Form sind unbequem, dafür sorgen der Stummellenker, die dünne Sitzbank und die tief gebückte Haltung. Neuere Inkarnationen bringen hier natürlich etwas Erleichterung ins Spiel, aber ansonsten gilt für diese Art Motorrad hinsichtlich der Ergonomie, was für alle Typen gilt, die sich am Rennsport anlehnen (siehe auch Sportbikes).

Bezeichnend für die Custombike-Szene in ihren Anfängen war, dass sie von sozialkritischen Strömungen begleitet wurden, welche vermutlich die Assoziation von Rebellion und Unangepasstheit begründeten, die der Motorradszene seit damals anhaftet, unterstützt durch eine aufbegehrende Jugend, die Zweiräder alleine aus Kostengründen bevorzugten. Die Bobber der ersten Jahre (Ende 1940) sollten sich bewusst von den als spießig wahrgenommenen Motorrädern der Nachkriegszeit abheben, während die Ende der 50er Jahre in Mode kommenden  Café Racer als Identifikationshilfe einer rebellierenden jugendlichen Subkultur aus dem Arbeitermilieu dienten, die für illegale Rennen auf öffentlichen Straßen und zu Showfahrten zum nächsten Straßencafé genutzt wurden. Mit den gegen Ende der 60er Jahre auftauchenden Choppern erreichte die offen zur Schau getragene Rebellion ihren letzten Höhepunkt. Hierbei handelte es sich um Gebrauchtmotorräder, die in der Tradition der Bobber extrem reduziert wurden, stilistisch aber eine neue Richtung einschlugen – teilweise mit abstrus hohen Lenkern, weit nach vorne verlegten Fußrasten und grenzwertig langen Vorderradgabeln. Der Name leitet sich übrigens aus dem Wort ‚Chopped Hog‘ ab, in etwa ‚Hackfleisch‘, der zum einen auf den Teileabbau anspielt und zum anderen der Abgrenzung von den schwerfälligen Harleys der Polizei (die abfällig als ‚Hogs‘ (Schweine) bezeichnet wurden), dienen sollte.

Chopper
Chopper (Designstudie)

Der klassische, ursprünglich im US-amerikanischen Kalifornien entstandene Chopper zeichnet sich durch eine lange Vorderradgabel aus, die oft in einem Winkel von 45 Grad oder mehr geneigt ist. Der Lenker ist in der Regel hoch und nach hinten gezogen, während der Sitz niedrig und im hinteren Bereich positioniert ist. Die Räder sind meist überdimensioniert, aber zumindest vorne schlank gehalten. Verkleidungen sind nahezu nicht existent und neben Fahrwerk und Motor ist das Bike auf das Wesentliche reduziert.

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Bei Choppern wird Wert auf leistungsstarke Motoren und eine gute Fahrstabilität bei höheren Geschwindigkeiten auf geraden Strecken gelegt, während Kriterien wie Handlichkeit, Wendigkeit und geringe Kurvenradien bewusst ignoriert werden. Hierzu verbaut man breite Hinterradreifen und schmale Vorderräder und verändert den Rahmen, um eine lange Federgabel anbringen zu können und einen niedrigen Schwerpunkt zu realisieren. Der lange Radstand, die vorverlegten Fußrasten und der hohe Lenker sind bis heute die visuell eindeutigsten Erkennungszeichen für einen echten Chopper.

Varianten

Softchopper: Für den breiten Markt erstellte Massenware, die echte Chopper grob visuell nachahmt, aber mit deren Fahreigenschaften eher weniger anzufangen weiß. Als handzahme Varianten sind sie eher Sinnbild für eine Industrie, die gerne mal auf einen Zug aufspringt, um die entsprechende Zielgruppe abzufischen, als eine Alternative zu den echten Vorbilder darzustellen – die auch heute noch nur von Custom-Schmieden zu beziehen sind oder selbst gebaut werden müssen.

Digger: Langgestreckte Chopper mit kantigen Prismentanks, die Elemente der Dragracing-Bikes der 1970er Jahre aufnehmen.

Fat Tyre: Unterkategorie aus den 1990er Jahren mit abstrus fetten Hinterreifen.

Lowrider: Langes, flaches Motorrad, eine weitere Unterkategorie des Choppers, aber eine, die ohne lange Gabeln auskommt. Wie der Name bereits nahelegt, ist die Fahrhöhe sehr gering.

Scrambler
Scrambler (Designstudie)

Scrambler sind Serienmotorräder, die in Eigenregie für Geländefahrten umgebaut wurden. Zu diesem Zweck erhielten sie breitere Lenker, Stollenreifen, höhergelegte Auspuffrohre und ursprünglich sogar Schutzbleche. Der Name stammt vom englischen Verb ‚to scramble‘, das ähnlich wie ‚to upgrade‘ auf eine Verbesserung hinweisen soll. Heute sind Scrambler meist klassisch gestylte Naked-Bikes mit leichter Offroad-Optik, die im Gegensatz zum Original nur noch minimalistische Fender aufweisen.

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In etwa zur gleichen Zeit wie Café Racer und noch vor den ersten Enduros erblickten die Scrambler das Licht der Welt, auf Geländegängigkeit getrimmte Straßen-Serienmotorräder (damals noch meistens Einzylinder), deren Besitzer grobstollige Reifen aufzogen, Auspuff und Schutzbleche höher legten und allgemein danach trachteten, das Fahrwerk möglichst weit über den Boden zu bekommen. Ziel war, mindestens auf Schotterpisten und Feldwegen abseits der Straßen die freie Natur erobern zu können. Damit ließen sich kaum anspruchsvolle Routen wie gebirgige Waldpfade bewältigen, aber für viele reichte diese Art motorbetriebene Freiheit.

Später entstanden aus den ersten Scramblern die Enduros, Dirtbikes und andere Offroadmaschinen, allerdings nicht in Schrauberbuden, sondern in den Entwicklerbüros der Motorradhersteller. Sie liefern ab Werk alles, was Geländejünger benötigen: Zuverlässige Motoren mit hohen Drehmomenten, lange Federwege, stabilere Federn, verstärkte Fahrwerke und Schwingen sowie kurze Einschlagwinkel der Lenkung.

Als Custombikes schrittweise Kultstatus erlangten und kleine Bikeschmieden brauchbare Verkaufszahlen generierten, begannen die Hersteller von Serienmotorrädern, im Zuge verschiedener Retro-Wellen die visuellen Aspekte der Selbstbauszenen in ihre Modellentwicklungen aufzunehmen und entsprechend gestaltete Motorräder in die Verkaufshallen zu rollen. Nicht immer mit Erfolg, wie die (meist) asiatischen Softchopper, die eher belächelt wurden, mit anderen Stilrichtungen wie Ducatis Scrambler vermochten sie aber durchaus, echte Volltreffer zu landen. Die in der Folge dann ihrerseits zu neuen Grundlagen weiterer Modifikationen durch Selbstschrauber wurden, sodass Custombikes mittlerweile zunehmend als eigene Bauformen wahrgenommen werden. (Obgleich dies naturgemäß nur sehr bedingt der Realität entspricht, denn traditionell handelt es sich bei Custombikes um  in Eigenleistung gebaute Motorräder. Siehe hierzu auch den Artikel ‚ Custombikes – Da war doch mal was, oder …?‚.)

Streetfighter
Fighter, Streetfighter (Designstudie)

Fighter bzw. Streetfighter sind umgebaute, aggressiv gestaltete Sportmotorräder. Kennzeichen sind breite, tiefe Lenker, kurze Radstände und ein hohes Heck. Sie sind auf das Wesentliche reduziert, haben keine Verkleidung und weiter hinten positionierte Fußrasten. Die Räder können groß und schlank sein, das Design ist, wie gesagt, minimalistisch und auf das Wesentliche reduziert.

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Wie die Café Racer-Szene entstand auch die Streetfighter-Szene in Großbritannien. Zunächst aus der Not heraus, bei Unfällen beschädigte Sportler oder Supersportler weiterfahren zu können, entledigte man sich zerstörter Teile wie der Verkleidung ersatzlos und ersetzte weitere, wie den Lenker, durch Ersatzteile anderer Modelle. I

Im Laufe der Zeit entstand aus dem praktischen Ansatz dann eine weitere Motorradkategorie, wobei insbesondere der breite Lenker (statt des ehemaligen Stummellenkers), die brachial getunten Motoren sowie das verkürzte, steil aufragende Heck für die aggressive Grundstimmung sorgen.

Weitere typische Merkmale sind:

  • Kein Soziusplatz.
  • Auspuffanlage endet unterm Heck.
  • Hinterradschwinge kann modifiziert sein.
  • Breitere Felgen.
  • Ungewöhnlich große Scheinwerfer und von anderen Modellen stammende Blinker und Rücklichter.
  • Verstärkte Bremsanlage, um dem getunten Motor zu entsprechen.
  • Auffällige Lackierungen.
Ratbike
Ratbike (Designstudie)

Ratbikes sind ältere oder auf alt gestylte Motorräder, oft nur mit Rostschutz oder Grundierung lackiert, technisch aber (noch) akzeptabel. Sie dienen mit einer Minimal-Ästhetik aus Rost, Dellen und Schrammen als Gegenentwurf zu perfekt restaurierten oder neuen Motorrädern. Aber kein Trend ohne Trittbrettfahrer: Bereits ab Werk mit ‚verrotteter‘ Optik ausgestattete ‚Ratbikes‘ sind Fakes.

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Um ein Ratbike zu kreieren, braucht es keinen Schrauberhelden. Improvisation und Gegen-den-Strich-Denken zählen mehr als handwerkliches Geschick und ein Riesenarsenal an Werkzeug. Selbst die Farbgestaltung, so sie denn überhaupt anfällt, wird mit Pinsel und Rollen erledigt statt einer Sprühpistole. Grenzen im Gammellook setzt dabei nur der Gesetzgeber in Form der Hauptuntersuchung, der in Fragen der Verkehrssicherheit die notwendigen roten Linien einzieht. (In anderen Ländern ohne gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich der Fahrsicherheit und Prüforganisationen wie TÜV etc. sind Ratbikes tatsächlich fahrender Müll, der sich so gerade eben noch bewegen lässt.)

Mittlerweile haben sich auch beim Ratbike verschiedene Strömungen etabliert:

  • Decorated Bike: Die Feiertagsausgabe eines Ratbikes. Im Grunde noch einigermaßen gepflegt, werden die unmöglichsten Dinge rangehängt und angeschraubt, von der Fahrradklingel bis zu Staubsaugerrohren.
  • Survival Bike: Survival Bikes kommen wahlweise stark militarisiert in olivgrün oder Mad-Max-artig martialisch aufgepeppt daher.
  • Fake Ratbikes: Eigentlich normale auf- oder umgebaute Motorräder aller Kategorien, die mit verschiedenen Ratbike-Stilelementen individualisiert wurden. Der Begriff wird auch verwendet für Neuware, die auf Ratbike macht.
Tracker
Tracker (Designstudie)

Tracker waren für Geländefahrten geeignete Motorräder, die auf Serien-Straßenmaschinen basierten, aber wie Scrambler über breitere Lenker, Stollenreifen, höhergelegte Auspuffrohre und Schutzbleche verfügten. Sie wurden oft bei Rennen auf unbefestigten Strecken eingesetzt, die als Flat Track oder Dirt Track bezeichnet wurden. Heute sind Tracker meist klassisch gestylte Naked-Bikes mit leichter Offroad-Optik.

Cross-Over
Cross-Over

Neben Bobbern, Café Racern Choppern und Scramblern und deren Subtypen werden heutzutage auch Mischformen gestaltet bzw. von Motorradherstellern angeboten, die Stilelemente verschiedener Kategorien in unterschiedlicher Ausprägung miteinander kombinieren, bspw. einen Scrambler mit Stollenreifen und Café Racer-Stummellenker. Erlaubt ist, was gefällt – und was der Geldbeutel hergibt.